LONG TONGUE

22.7. - 02.09.2023
Group-Show
mit Nora Lube, Timo Herbst, Daniel Hörner, Thorben Eggers, Birte Bosse
Nina Mielcarczyk, Leipzig

DE:

AaaAAaaaHhhH! Macht den Mund auf, rollt den roten Teppich aus: Hier kommt LONG
TONGUE, die Sommerausstellung in der Galerie Nina Mielcarczyk! Die Gruppenausstellung steht
unter der Methode eines spaßigen Durcheinanders und so ist die gezeigte Kunst bunt gemischt,
verweist über- und untereinander daher. Sie gossipt und tratscht, unmusikalisch, collagiert, verwirrt,
verzogen und schlicht zunehmend chaotisch. Die Verschiedenheit der vertretenen Künstler_Innen,
Julius Bobke, Birte Bosse, Thorben Eggers, Daniel Hörner, Timo Herbst und Nora Lube eröffnet
sich hier als größte Chance, denn ihre Vielstimmigkeit ermöglicht erst das Spiel auf der Long Tongue!

Wie eine schnelle Strömung der Flüsse nach Westen, wenn der kommende Sturm von Osten
aufzieht; wie das Eis unabhängig voneinander überall auf der ganzen Welt gemeinsam schmilzt;
Popcorn poppt; sich Lagerfeuer in Asche, Rauch und Gas verwandeln; oder Kräuter zu Tee
aufkochen — je länger alles verbunden ist, desto vermischter, chaotischer, wird es. Und auch in Long
Tongue heißt es: Je länger wir hinschauen, desto mehr tun sich Verbindungen der verschiedenen
Werke untereinander auf, historische und kulturelle Schichten drücken aufeinander durch, wie
nasses Papier und offenbaren dabei immer wieder Neues, das auch wir noch nicht entdeckt haben.
Vielleicht fallen zuerst die verschiedenen Verarbeitungen von Lebensräumen ins Auge:
Bobke verwebt Historisches mit einem LSD-getränkten Blick auf die Gegenwart der Großstadt, bei
Hörner werden abgelegene Landstriche zu seinen distinktiven Farbflächen- und Übergängen,
während Herbst Chinas verschwindende Stromleitungen in stumme Protagonist_Innen verwandelt,
die uns durch seine ziellose Collage führen. Bei Eggers zerfallen die Räume vollends in hybridere
Formen. Lube schließlich konfrontiert den vermeintlichen Unterschied zwischen urbanen und
natürlichen Umgebungen, im Interim ihrer alltäglichen- wie verlorengegangenen Objekte. Und
obwohl diese Alltäglichkeit einen komplett anderen Ausdruck findet, als bei Lube, fällt sie auch
wieder bei Bosses journalen Zeichnungen ins Auge.
Vielleicht aber auch nicht, denn wie sehr sich die versammelten Stimmen widersprechen
und zugleich einander zustimmen können, liegt bei den Betrachter_Innen. Manchmal bringt eben
gerade ein Versprecher das richtige Stichwort; nur das Unvorhergesehene die Spannung. Es gibt
keinen eindeutigen Geschmack mehr, bei dieser Vielfalt an Aromen.

Und so verwickelt sich die lange Zunge kontinuierlich weiter, bildet Knoten, bildet Löcher,
verfremdet Sprachen und ihre Ansätze, vereinheitlicht Gegensätze und lässt Süßes auf sich
zergehen, bis alles aneinander klebt und die falschen Sicherheiten des modernen Ordnungs-Impuls
ganz vergessen sind. Der Mittelpunkt gibt sich dem Marginalen hin und macht die Komplexität der
konventionellen Widersprüche, wie Widersprüche selbst, offenkundig.

EN:

"AaaAAaaaHhhH! Open your mouth, roll out the red carpet: Here comes LONG TONGUE,
the summer exhibition at Galerie Nina Mielcarczyk! The Method of the group exhibition is a fun
mess, and as a result, the displayed art is a colorful mix, refering and intertwining all and about each
other. It gossips and chatters, unmusical, collaged, confused, twisted, and increasingly chaotic. The
differences between the represented artists - Julius Bobke, Birte Bosse, Thorben Eggers, Daniel
Hörner, Timo Herbst, and Nora Lube - opens up a great opportunity here, as the multitude of their
voices enables the play with the Long Tongue!

Like the swift flow of rivers to the west when an upcoming storm approaches from the east;
like all the ice melting in unison around the world; popcorn popping; campfires transforming into
ashes, smoke, and gas; or herbs boiling into tea - the longer everything is connected, the more
blended and chaotic it becomes. And in Long Tongue, the longer we look, the more connections
between the different works emerge, historical and cultural layers pressing onto each other, like wet
paper, revealing new things we have yet to discover.

Maybe the different depictions of surroundings catch the eye first: Bobke weaves history with
into his LSD-infused perspective on life in the big cities, while Hörner turns remote landscapes into
his distinctive color fields- and transitions. Herbst transforms China's disappearing power lines into
silent protagonists guiding us through his aimless collage. Eggers breaks down space into more
hybrid forms completely. Finally, Lube confronts the supposed differences between urban and
natural environments, amidst her everyday and lost objects. And even though this everydayness finds
a completely different expression than with Lube, it also stands out in Bosses' journal-like drawings.

Or perhaps not, as the extent to which the gathered voices contradict each other while
simultaneously agreeing is up to the viewers. Sometimes, it's precisely a slip of the tongue that gives
the right cue; only the unforeseen creates tension. There's no definite taste anymore with this variety
of flavors.

And so, the long tongue continuously entangles itself further, forming knots, forming holes,
distorting languages and their approaches, unifying opposites, like sugar cubes dissolving until
everything sticks together, and the false certainties of modern organizational impulses are
completely forgotten. The center surrenders to the margins, making the complexity of conventional
contradictions, like contradictions themselves, apparent."

Text: Fredi Tiele
Bilder: Marco Dirr


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